Kommentar zum Beitrag von Prof. Erwin Heri auf fintool: “Rentner: Auswandern?“. Fintool erklärt darin mit Kaufkraftvergleichen anhand von Starbuck-Lattes und Big Macs, weshalb es so viele Schweizer Rentner ins Ausland zieht.
Der Beitrag von Prof. Heri ist nuanciert. Jedoch schwingt das Vorverständnis mit, dass die “Ueberbewertung” des CHF anhand der PPP nicht gerechtfertigt sei. Das führt zu Ressentiments gegenüber dem Handel und einem unwürdigen Schwarzen-Peter-Spiel in Medien und Politik.
Es wäre aus meiner Sicht wichtig, die Ueberbewertung immer im ökonomischen Kontext zu präsentieren:
- Frei handelbare Güter sind in der Schweiz nicht teurer (siehe Unterhaltungselektronik)
- Teuer ist der nicht handelbare Anteil, im Wesentlichen inländische Löhne und Immobilien
- Die Löhne sind teuer wegen der enormen Produktivität der Exportwirtschaft, welche das allgemeine Lohnniveau hebt
- Die Politik des starken Frankens unterstützt, indem sie:
- den Zyklus von steigender Produktivität und steigenden Reallöhnen verstetigt
- die Produktivitätsgewinne an alle Bezüger von CHF-Einkommen verteilt, ohne dass darüber Verteilkämpfe geführt werden müssten
Daraus folgt:
- Die “Ueberbewertung” ist auf der einen Seite Folge der Stärke der Schweizer Wirtschaft, auf der anderen Seite Motor dieses Erfolgs, da nur die Besten florieren.
- Die “Ueberbewertung” kann nur punktuell bekämpft werden, indem der nicht frei handelbare Anteil eines Produkts minimiert wird. Man denke an einen Starbucks-Roboter. Ein Starbucks-Kaffee würde zwar billiger, aber der Coiffeur aus Fleisch und Blut bleibt teuer. (Genauer: Automatisierung und Freihandel würden über erhöhte Produktivität das Wachstum erhöhen, die relativen Kosten – bzw. die Entlöhnung – nicht handelbarer Güter würden über den Balassa-Samuelson Effekt aber eher noch mehr steigen).
- Die “Ueberbewertung” sozialisiert die Produktivitätsgewinne. Sie ist ein wichtiger Grund, weshalb in der Schweiz die Ungleichheit so klein und die Einkommensverteilung im Vergleich zum UK oder den USA so stabil ist.
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SW/2018-02-19