In meinem bisherigen Arbeitsleben ist mir Frauendiskriminierung nicht begegnet. Weder in meinem Umfeld, noch in den Policies der Firmen, in denen ich arbeitete, noch in Situationen, wo ich selber Arbeitgeber war. Im Gegenteil: Frauen versuchte man nach Kräften zu fördern.
Meinem Eindruck stehen Berichte von Freundinnen und Kolleginnen entgegen, die sehr wohl Diskriminierung erfahren haben. Wie ist das möglich? Ist das, was als Diskriminierung erfahren wird, in Wirklichkeit gar keine, oder kommt Diskriminierung vor, ohne dass ein Mann sie erkennt?
Ein Beispiel: es ging etwa 2008 darum, eine Führungsposition neu zu besetzen. Es gab zwei Bewerber in der engeren Auswahl, einen Mann und eine Frau. Die Frau war ungefähr anfangs 30, verheiratet und kinderlos. Wir fragten sie nach ihrem Kinderwunsch. Diese Frage wird oft als diskriminierend empfunden. Sie entspringt aber einem legitimen Interesse der Firma.
Die Kandidatin bejahte, worauf sich ein Gespräch entspannte, wie das organisatorisch in ihrem Bereich aufzufangen war. Man entwickelte eine gemeinsame Vorstellung davon, wie das funktionieren würde und welche Erwartungen man aneinander hat.
Auch bei einem Mann fragt man nach seinem Lebensentwurf und erwartet, einschneidende Dinge zu besprechen. Das können zeitraubende Hobbys sein, eine Weiterbildung, eine Auszeit, ehrenamtliche Engagements. Und auch die Frage nach seiner Familiensituation ist bei einem Mann genauso ein Faktor bei der Einstellung. Diskriminierend? Nein, es ist eine legitimes Interesse, eine win-win Situation zu schaffen.
Im gegebenen Fall haben wir die Frau eingestellt, und es war eine erstklassige Wahl. Man hat verstärkt auf Stellvertretungen und Kompetenzen in der Abteilung geachtet, und ein Temporär-Manager wurde eingearbeitet.
Die Frage nach dem Kinderwunsch beim Einstellungsgespräch kann als diskriminierend aufgefasst werden. Effektiv hat die Frau aber von einem Sondersetting profitiert, das man für einen Mann wohl nicht so eingerichtet hätte. Für mich als Vertreter der Firma war es wichtig und notwendig, über absehbare Abwesenheiten offen sprechen zu können, damit für diesen Fall die gegenseitigen Erwartungen bekannt sind und damit Vorkehrungen getroffen werden können. Wenn man dieses Thema aus falsch verstandenem Schutz vor Diskriminierung nicht mehr ansprechen darf, wird es erst recht zu einem “elephant in the room”, einem Risiko, das man nicht ansprechen darf und für das man deshalb keine Massnahmen treffen kann. Das wäre schlussendlich nicht im Interesse derjenigen, die man fördern will.
SW/26-SEP-2019