Der Konsument hat heute [2015] die Wahl zwischen Bargeld (Noten und Münzen) oder dem Giralgeld der Geschäftsbanken1. Letzteres krankt an einem Gegenparteienrisiko, denn Giralgeld ist erst einmal eine Schuld der Bank. Wenn die Bank Verluste auf ihren Aktiven erleidet, ist diese Schuld nicht mehr gedeckt2. Als Kompensation für dieses Risiko erhält der Konsument einen Zins sowie die Vorteile der sicheren Aufbewahrung und des elektronischen Zahlungsverkehrs.
Was aber, wenn ein Konsument die praktischen Vorteile von Giralgeld nicht missen möchte, jedoch jedes Risiko ausschliessen und deshalb aus dem Zwangsverleihsystem der Banken aussteigen möchte? Eine Bank, welche als Aktiven ausschliesslich Zentralbank-Liquidität hält, könnte genau diesen Wunsch erfüllen; sie wäre eine Vollgeld-Bank.
Gratis wäre das natürlich nicht zu haben. Allfällige Negativzinsen auf Guthaben bei der Zentralbank3 sowie die Kosten für den eigenen Betrieb (einige Zehntelprozente) müsste die Vollgeld-Bank in Rechnung stellen. Im heutigen Umfeld einer leichten Deflation würde das den Konsumenten real wenig oder gar nichts kosten. Normalerweise wäre das aber eher nicht der Fall. Dafür hätte der Konsument den Vorteil von sicherem, elektronischem Cash.
Mit einer oder mehreren solchen Vollgeld-Banken hätte die Schweiz eine extreme Spielart eines Trennbankensystems. Diese Banken würden die Forderungen der Vollgeld-Initiative nach sicherem, schuldfreiem Geld erfüllen. Das gesamte System wäre sogar noch besser als das durch die Vollgeld-Initiative angestrebte, denn zinstragendes Giralgeld wäre für Konsumenten, die ein gewisses Risiko eingehen wollen, immer noch möglich.
Ob Vollgeld-Banken sinnvoll sind und nachgefragt werden, ist dann wieder eine ganz andere Frage. Erstens ist es unsicher, ob der Konsument bereit ist, für mehr Sicherheit zu bezahlen, denn die bestehenden Banken sind ja nicht gerade unsicher4, und es gibt sogar solche mit Staatsgarantie. Und zweitens bedeutet das Guthaben des Konsumenten ja einen Anspruch auf eine Leistung in der Zukunft. Der Anspruch muss deshalb durch ein Aktivum gedeckt sein, das auch in Zukunft noch werthaltig ist. Da die Vollgeld-Bank sich per Definition weigert, in einen solchen Gegenwert zu investieren, muss es an ihrer Stelle die Nationalbank tun. Gewonnen ist damit aus volkswirtschaftlicher Sicht nichts.
- Wir beschränken uns hier auf allgemein akzeptierte Zahlungsmittel
- Dabei trägt der Konsument dieses Risiko erst nachrangig nach dem Eigenkapital der Bank und der Einlagenversicherung
- Die SNB verlangt im Oktober 2015 -0.75%, wobei der vom Negativzins befreite Freibetrag im Fall einer Vollgeld-Bank bedeutend ist
- Jedenfalls bis zur Grenze des durch die Einlagenversicherung gedeckten Betrags
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SW/2015-Nov-03